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Staub- und Bücherläuse

Ein kühles und trockenes Raumklima beugt vor

Dr. Udo Sellenschlo, Hamburg

Staubläuse sind ausgewachsen kleine (1,2 bis 2,3 Millimeter) zarte, meist hellbraun bis braun gefärbte Insekten, mit zum Teil recht langen und dünnen Antennen. Der Kopf ist relativ groß, die Augen treten kugelig hervor. Stirnaugen besitzen nur die geflügelten Formen. Charakteristisch für diese Tiergruppe ist die vorstoßbare meißelförmige Innenlade (Lacinia) des Mittelkiefers (Maxille). Larven (5 bis maximal 8 Larvalstadien je nach Art) und Geschlechtstiere sehen sich sehr ähnlich, ihre Lebensweisen sind gleich. Es gibt bei den Geschlechtstieren sowohl geflügelte als auch ungeflügelte Formen.

Neben Arten mit voll entwickelten Flügeln (meist im Freiland lebend) gibt es eine ganze Reihe von Arten mit Stummelflügeln. Neben einer zweigeschlechtlichen Fortpflanzung kommt bei einigen Arten auch eine ungeschlechtliche Vermehrung (Parthenogenese) vor, aus unbefruchteten Eiern schlüpfen hier weibliche Tiere. Eine Bestimmung der Tiere kann fast nur unter dem Mikroskop vorgenommen werden. Da die Bestimmungen zum Teil recht schwierig sind, geht selbst Weidner (1993) bei der Bücherlaus Liposcelis Motschulski, 1853 nur bis zur Gattung. Die Unterschiede liegen hauptsächlich in der Behaarung, der Skulptur der Haut und der Färbung. Arbeiten von Günther (1974) und Lienhard (1990) gehen hier weiter ins Detail.

In der älteren Literatur laufen alle Arten dieser Gattung unter Liposcelis divinatorius (Müller;1776), selbst in neuerer Literatur wird der Name der Einfachheit halber beibehalten (zum Beispiel bei Reichmuth,1997). Für Schädlingsbekämpfer dürften in diesem Fall diese systematischen Feinheiten von untergeordneter Bedeutung sein, zumal die Biologie sehr ähnlich ist bei diesen Arten. Es wird daher auch in dieser Arbeit weiterhin der alte Name L. divinatorius gebraucht.

Mit zwei morphologischen Merkmalen erwähnt, aber nicht weiter beschrieben wird bei Weidner (1993) die in Südafrika entdeckte Art Dolopteryx domestica Smithers,1958. Diese Art wurde in Dänemark und in Ostdeutschland bereits vor der Wende mehrmals nachgewiesen. In den letzten Jahren wurden jedoch auch aus dem norddeutschen Raum verstärkt Tierproben mit Geschlechtstieren dieser Spezies zur Bestimmung vorgelegt. Zum besseren Einkennen sollen diese kurz beschrieben werden.

Dolopteryx domestica

Die Körperlänge beträgt etwa 1,5 bis 2,0 Millimeter, die Färbung ist cremefarbig (gelblich), der Kopf ist leicht dunkler. Die langen dünnen Antennen bestehen aus 26 Gliedern. Der Hinterleib ist auberginefarbig geringelt, neben der dunklen Hinterleibsspitze zeichnen sich zwei weitere breite Streifen ab. Die Färbung ist besonders seitlich stark ausgeprägt, auf dem Rücken werden die vorderen Binden schmaler und auch etwas heller. Die schmalen Flügel sind stark behaart und reichen bis zum Hinterleibsende, selten sind sie länger (Abbildungen 9 - 11). Auf dem Flügel sind 5 Adern zu erkennen,auf ihnen entspringen die Borsten. In der Regel bewegen sich die Tiere laufend fort, bei Gefahr können sie jedoch mit Hilfe der schmalen Flügel kleine Sprünge von etwa 3 bis 4 Zentimeter vollführen.

Nur vereinzelte Daten

Über einzelne Staublaus-Arten gibt es in der Literatur nur vereinzelte Daten. Diese beziehen sich meist auf ihren Lebensraum (zum Beispiel: Psyllipsocus ramburi Selys-Longchamps,1872 und Arten von Lachesilla West-Wood,1830 sind in Neubauten oft an den Tapeten zu finden; Trogium pulsatorium (Linneaus, 1758), Lepinotus reticulatus Enderlein,1905 und Lep. inquilinus v. Heyden,1850 kommen ursprünglich in Vogelnestern vor, sind aber auch in feuchten Wohnungen anzutreffen; Doryteryx pallida Aaron, 1884 entdeckt man oft zahlreich in feuchtem Getreide). Verstärkt tritt in den letzten Jahren Dolopteryx domestica Smithers,1958 auf, alle zur Bestimmung vorgelegten Exemplare stammten aus Neubauten. Außer diesen knappen Informationen gibt es kaum spezielle Daten zur Lebensweise; deshalb werden hier stellvertretend ausführlicher die Daten von L. divinatorius gebracht.

Biologie

Staubläuse brauchen einen Lebensraum mit einer hohen relativen Luftfeuchtigkeit (=rLF). Für viele Arten sind 70 bis 90 Prozent optimal, eine Entwicklung ist ab 60 Prozent möglich. Alle Arten sind in der Lage, aktiv Wasserdampf der Luft zu absorbieren, sobald eine bestimmte (artspezifisch zwischen 60 und 85 Prozent liegend) relative Feuchte überschritten ist (Jacobs/Renner,1989). Die Wasseraufnahme erfolgt über ein spezielles Organ der Unterlippe, welches von einer hygroskopischen Flüssigkeit umgeben wie eine Art Zunge hervorgestreckt wird. Die mit Wasser angereicherte Flüssigkeit wird durch feinste Röhren mittels einer am Schlundeingang liegenden Pumpe abgesaugt.

Weibchen legen bis zu 200 Eier in ihrem Leben, die grau bis gelblichweißen, rundovalen Eier sind im Verhältnis zu den Geschlechtstieren recht groß (etwa 0,6 Millimeter lang), denn immerhin nehmen sie ein Drittel der Körpergröße eines Weibchens ein (Hickin, 1964). Die Eientwicklung dauert bei 25 Grad Celsius/75 Prozent rLF 11 Tage, bei 20 Grad Celsius/85 Prozent rLF etwa 26 Tage und bei 15 Grad Celsius kann sie bis zu 70 Tagen dauern.

Keine Embryonalentwicklung ist mehr möglich bei Temperaturen unterhalb von 14,6 Grad Celsius beziehungsweise oberhalb von 37 Grad Celsius, für die Eientwicklung reicht eine Feuchte schon von 30 bis 40 Prozent aus. Bei einigen Arten öffnet die Junglarve die Eihülle mit einem sägeförmigen Eizahn am Vorderkopf. Die Larvalentwicklung ist im Vergleich zur Eientwicklung stärker von der Luftfeuchtigkeit abhängig, hier müssen mindestens 50 bis 60 Prozent rLF vorliegen und eine Temperatur von 15 Grad Celsius (25 Grad Celsius/ >55 Prozent RLF; 35 Grad Celsius/ >65 Prozent rLF); Optimum sind 20 bis 27 Grad Celsius/70 bis 90 Prozent rLF Die Larvalentwicklung kann bei 25 Grad Celsius/65 Prozent rLF 95 Tage dauern oder bei 30 Grad Celsius/85 Prozent rLF 9 Tage, optimale Nahrung ist zum Beispiel Hefe; steigende Temperaturen und Luftfeuchtigkeit verkürzen die Entwicklungsdauer. Die Lebenserwartung der ausgewachsenen Tiere steigt mit sinkenden Temperaturen beziehungsweise mit steigender Feuchtigkeit, sie beträgt etwa 207,5 Tage bei 2,5 Grad Celsius/70 Prozent rLF und 108 Tage bei 25 Grad Celsius/85 Prozent rLF. Bei 65 Prozent rLF (= kritischer Gleichgewichtspunkt) stirbt sie bereits aus, in diesem Bereich gibt die Bücherlaus kein Wasser mehr an die Luft ab, mit jedem Ei (etwa 6,4 µg) gibt sie jedoch etwa 4,3 mg Wasser ab, dieser Wasserverlust muß aus der Atmosphäre wieder ergänzt werden. Bei 73 Prozent rLF kann der Wasserverlust erst in 6 bis 18 Stunden ausgeglichen sein, vorher kann deshalb kein weiteres Ei abgelegt werden (Weidner, 1983).

Eine Kälteeinwirkung von 0 Grad Celsius über 3 Stunden lang tötet die Tiere ab, gleiches erreicht man mit 42,5 Grad Celsius bei einer Einwirkzeit von 24 Stunden.

Als Nahrung dienen ihnen hauptsächlich Schimmelrasen an feuchten Wänden (besonders bei Neubauten oder nach Wasserschäden) und am Leim von Büchern; sie sind oft aber auch an dumpf gewordenen Lebensmitteln oder an feuchtem Getreide zu finden. Durch Staubläuse hervorgerufene Schäden sind also in erster Linie von hygienischer Art. Weniger das Vorratsgut, sondern der sich wegen der hohen Luftfeuchtigkeit bildende Schimmelrasen dient ihnen zur Nahrung. Eine Reinigung solcher befallener Vorräte ist praktisch unmöglich, so daß sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet sind (Rassmann & Wohlgemuth, 1984).

Rassmann & Wohlgemuth (1984) haben Zuchtversuche an unterschiedlichen Substraten durchgeführt. Übereinstimmend mit den Untersuchungsergebnissen von mit Staubläusen befallenen Lebensmitteln in Hamburg bieten Getreideprodukte meist gute bis sehr gute Entwicklungsbedingungen (siehe Tabellen 1 und 1a), während es an Hülsenfrüchten, Eipulver, Nudeln und Trockenmilch in der Regel kaum zu Befall kommt.

Erkennen eines Befalls an Lebensmitteln

Am besten erkennt man ohne optische Hilfen einen Befall mit lebenden Tieren an hellen Produkten wie Reis, Mehl, Gries und eventuell auch an Getreideflocken. Man sieht hier die kleinen hell bis bräunlich gefärbten Insekten auf der Oberfläche (Abbildungen 12-15) herumlaufen, oft sind die Bewegungen etwas ruckartig, die Tiere bleiben plötzlich stehen und rennen nach einer kurzen Richtungsänderung weiter. Speziell bei Doppelpackungen, wo eine Papiertüte innerhalb einer Pappschachtel ist (zum Beispiel bei einigen Griesprodukten), laufen die Staubläuse auch zwischen diesen beiden Verpackungen herum. Diese Tiere müssen aber bei Verkauf nicht unbedingt bis in die Ware gelangt sein, dies kann erst später erfolgen, wenn die Packung bereits zum Gebrauch geöffnet worden ist. Die Tatsachse, daß Staubläuse innerhalb der Verpackung leben, reicht bereits aus, die Ware wegen Ekelerregung abzulehnen, denn mangelnden Lagerbedingungen (im Laden, im Lager oder auch schon beim Abfüller) haben den Befall begünstigt/verursacht.

Auf dunklem Nährsubstrat kann man nur bei sehr guter Beleuchtung erkennen, daß sich Kleinstinsekten auf der Oberfläche von Lebensmitteln bewegen. Tote Tiere sind äußerst schwer und nur mit Hilfe von Vergrößerungsoptiken zu finden.

Bei Getreide mit altem Befall bemerkt man, daß die Samenschale oberflächlich angenagt ist (Abbildungen 13 und 14), auf dem Grund, seltener an den Seiten, der Verpackung erkennt man ganz feinen dunklen Staub (Kot der Staubläuse) (Abbildung 12 - 15). Im Extremfall können Staub und Getreidekörner verklumpen (Abbildung 13). Reichmuth, 1997 berichtet, daß die Tiere im Getreide kleine Löcher in die Kornhülle fressen und dann den Mehlkörper zerfressen. Die Tiere sind sehr genügsam, selbst in eingeschweißten (aber nicht vakuumverpackten) Kräutertees haben sich Tiere stark vermehren können.

Bekämpfung

Befallene Waren sind für den menschlichen Verzehr ungeeignet (Rassmann & Wohlgemuth, 1984), sie sollten deshalb als Befallsursache zuerst einmal verworfen werden. Eine chemische Bekämpfung mit Insektiziden löst das Problem nur kurzfristig, denn tiefe Ritzen und Spalten sind oft unzugänglich für Bekämpfungsaktionen, hier liegt meist ein Reservoir für Neubefall. Auf Dauer kann man das Staublausproblem nur lösen, indem man den Tieren langfristig den Lebensraum durch drastische Reduzierung der Luftfeuchtigkeit nimmt. Ähnliches erreicht man im Lager durch Lagerung von befallsbegünstigenden Lebensmitteln unter 15 Grad Celsius.

Zusammenfassung

Staubläuse im Wohnbereich und im Lager sind überwiegend Schimmelfresser und benötigen einen Lebensraum mit einer hohen relativen Luftfeuchtigkeit. Ursache für eine Massenvermehrung können hier zum Beispiel sein: hohe Feuchtigkeit durch Kochdünste, durch Wäschetrocknen, Wasserrohrbrüche, schlechte Wandisolierung (es kommt zu Schwitzwasserflecken an den Außenwänden), zu seltenes Lüften.

Spezielle Arten, die besonders in den Neubauten auftreten, verschwinden mit zunehmender Trockenheit der Räume. Staubläuse werden mit Verpackungsmaterialien (Wellpappkartons, Eierpappen, Holzwolle und ähnliches) aber auch mit schlecht gelagerten Lebensmitteln immer wieder in die Haushalte eingeschleppt. Hier kann eine Tilgung oft bereits durch drastisches Senken der Feuchtigkeit mittels Heizen und Lüften erreicht werden. Im Lager kann durch ein kühles, trockenes Raumklima einer Plage vorgebeugt werden.

Literatur

Günther, K.K.,1974 : Staubläuse, Psocoptera. - Tierwelt Deutschlands 61. Teil, VEB G. Fischer, Jena

Hickin, N.E., 1964: Household Insect Pests. - The Rentokil Library, Hutchinson of London

Lienhard, C.,1990: Revision of the Western Palaearctic Species of Liposcelis MOTSCHULSKY (Psocoptera: Liposcelididae). - Zool. Jb. Syst. 117: 117-174

Rassmann, W. & Wohlgemuth, R., 1984: Untersuchungen zur Biologie von Liposcelis divinatorius (Psocoptera: Liposcelidae). - Anz. Schädlingskde 57:121-127

Reichmuth, Ch., 1997: Vorratsschädlinge im Getreide - Aussehen, Biologie, Schadbild,Bekämpfung. - Verlag Th. Mann, Gelsenkirchen

Stein, W., 1986: Vorratsschädlinge und Hausungeziefer - Biologie, Ökologie, Gegenmaßnahmen. - Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart

Weidner, H.,1983: Vorratsschädlinge - In Heinze, K.: Leitfaden der Schädlingsbekämpfung. Bd.IV.Vorrats- und Materialschädlinge (Vorratsschutz).S.9-226. - Wissenschaftl.Verlagsges mbH, Stuttgart .

Weidner, H.,1993: Bestimmungstabellen der Vorratsschädlinge und des Hausungeziefers Mitteleuropas. - 5. erw. Aufl. Gustav Fischer Verlag Stuttgart/Jena/New York.

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